Der Panther
Gestern hat mein Sohn Jonatan ein Gedicht aus der Schule mitgebracht, das mich beim lesen grad ergriffen hat. Ich kannte es noch nicht, es stammt von Rainer Maria Rilke:
Der Panther
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe So müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe Und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, Der sich im allerkleinsten Kreise dreht, Ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, In der betäubt ein grosser Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille Sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, Geht durch der Glieder angespannte Stille - Und hört im Herzen auf zu sein.
(Rainer Maria Rilke, 1875-1926, österreichischer Schriftsteller, Dichter)
Herzergreifend - oder nicht? So fühlt sich ein Mann, wenn er sein Herz verloren hat, wenn ihm die Lebensvision abhanden gekommen ist, der "authentische Schwung" wie es im Film Bagger Vance genannt wird. Man(n) funktioniert bestenfalls noch, aber das Leben ist auf der Strecke geblieben.
So wenig es die Bestimmung eines Panthers ist, in einem Käfig vor sich hin zu vegetieren, so wenig ist es die Bestimmung eines Mannes, einfach nur zu funktionieren, deadlines einzuhalten und Projekte zu erfüllen. Unser Herz ist für mehr geschaffen, für die Weite, die Freiheit, das Abenteuer, für die Dinge im Leben, die nicht einfach nur berechenbar sind, sondern die diese tiefe Essenz des Mann-seins in unseren Herzen brauchen. Da werden wir wirklich lebendig!
Gibt es solche Momente in Deinem Alltag? Gibt es genügend solcher Momente? Wenn nicht, wie konnte es geschehen, dass sie Dir geraubt wurden? Gibst Du Dich damit zufrieden? Hast Du schon resigniert? Erlöschen diese Bilder der Freiheit, des Lebens auch, sobald sie Dein Herz erreichen? Oder flackert da etwas auf, eine Erinnerung, schon fasst verblasst, an ein Leben jenseits der Gitterstäbe, ein Leben, das den Puls hat höher schlagen lassen, welches dieses Gefühl des lebendig Seins geweckt hat?
Es gibt nichts Kostbareres als sich diese Erinnerung wieder vor Augen zu holen, um daraus Kraft und Willen zu schöpfen, wieder aufzustehen und darum zu kämpfen, dass das Leben wieder Einzug hält in Dein Herz. Nicht nur, dass es Dir dadurch besser geht, sondern auch alles,was mit Dir in Berührung kommt wird von diesem Leben angesteckt werden.
Fass Mut und mach Dich auf!